Operation Zephyr
– oder einmal kurz mit dem Krankenwagen von Europa nach Gambia
September 2022 Europa
Unsere Mitgliedsfau Heike Kotmann war im September 2022 Teil der Operation Zephyr organisiert von der International Police Association (IPA). Lesen Sie hier Ihren Bericht dazu:
Die Idee, mit Einsatzfahrzeugen des Rettungsdienstes und der Feuerwehr von Europa nach Gambia zu fahren, stammte aus Großbritannien. Die Emergency Service Aid Charity (ESAC) wollte gebrauchte Einsatzfahrzeuge einem guten Zweck zuführen und hatte dafür als Ziel das westafrikanische Gambia ausgesucht. Die kleinste Nation auf dem afrikanischen Festland mit ihren ca. 2 Millionen Einwohnern verfügt weder über ausreichend Einsatzfahrzeuge noch über Budget, um diese zu beschaffen. 18 Fahrzeuge sollten zusammen mit Ausrüstungsgegenständen dorthin gebracht werden.
Um sowohl Fahrzeuge wie auch Fahrer für die Umsetzung des Vorhabens zu gewinnen, erhielt u.a. auch die IPA Deutschland e.V. eine Anfrage aus Großbritannien. Da mir die Republik Gambia nicht unbekannt is, hatte ich sofort Interesse an einer Teilnahme.
Es fanden sich acht Polizisten, zwei Polizistinnen, ein Justizvollzugsbeamter sowie ein Rettungsassistent aus BW, BY, NRW, HE und HH, die sich an die Arbeit machten. Es galt nicht nur die Fahrzeuge zu beschaffen, sondern auch die Finanzmittel dafür beizusteuern. Finanziert wurde das Unternehmen durch die Teilnehmer und durch Spenden. Zwei Fahrzeuge steuerte der DRK Kreisverband Odenwaldkreis für Gambia bei. Ein dritter Rettungswagen (RTW) konnte mit Vollausstattung angekauft werden. Dazu kam nur wenige Tage vor Abreise ein Feuerwehrrüstfahrzeug mit Schlauchwagenanhänger, der dank fleißiger Hände gerade noch rechtzeitig ertüchtigt werden konnte. Finanzielle Unterstützung kam von verschiedenen Seiten u.a. von der IPA Deutschland, den jeweiligen IPA Landesgruppen und wie bei mir auch von der Verbindungsstelle der IPA Göppingen.
Alle fieberten der Abreise entgegen, wir wollten das dt. Team und natürlich unsere Mitstreiter aus Großbritannien und Spanien persönlich kennen lernen. Denn die 18 Fahrzeuge sollten durch fast 60 Teilnehmerinnen und Teilnehmer überführt werden. Vor dem deutschen Team lagen mehr als 5.700 km.
Kurz vor der Abreise übernahm der amtierende Vorsitzende der Deutschen Innenministerkonferenz, der Bayerische Innenminister Joachim Herrmann, die Schirmherrschaft und verabschiedete einen Großteil der dt. Delegation im Beisein des Gambischen Honorarkonsuls Prof. Dr. Georg Bouché persönlich in München.
Am 14. September ging es dann endlich los. Die Briten hatten sich zu diesem Zeitpunkt bereits auf den Weg nach Algeciras/Spanien gemacht. Dort wollten wir uns alle treffen. Zwei Fahrzeuge starteten in München, eines bei Stuttgart und das dritte in Karlsruhe. Wir wollten uns alle eigentlich an diesem Abend in der französischen Provinz treffen. Da hatte aber die A8 bei Pforzheim etwas dagegen. Unser auf „Wanderdüne“ getauftes Feuerwehrauto und ein RTW standen mehr als sieben Stunden in einer Vollsperrung. So verbrachte die eine Hälfte von uns die erste Nacht bei den Kollegen des Autobahnpolizeireviers Pforzheim und die andere in Besançon.
Nicht genug, die „Wanderdüne“ hatte am Folgetag auch noch einen platten Reifen, der versorgt werden musste. So verbrachten wir die zweite Nacht auf der Feuerwehrwache am Hafen von Barcelona, während unsere „Nachhut“ kurz vor der spanischen Grenze übernachtete. Die Übernachtung in Barcelona kam auf Vermittlung der Vorsitzenden des European Network of Policewomen (ENP), der Polizeichefin der Stadtpolizei Barcelona, Montserrat Pina Martinez, zustande. Die Nachtschicht der Feuerwache gab uns erst einen Einblick in ihre Arbeit, ehe wir zu leckerer Pizza eingeladen wurden und es uns danach in einem Lehrsaal gemütlich machten.
Am 16. September lernten wir uns endlich alle persönlich kennen. Alle vier Fahrzeuge schafften es ohne Zwischenfälle nach Murcia, wo wir von der Polizei Murcia auf Vermittlung der dortigen IPA Verbindungsstelle begrüßt wurden. Nach einer Führung durch die Dienststelle und dem Besuch im Murcia-Polizeimuseum überraschten uns die Kolleginnen und Kollegen mit einem leckeren mehrgängigen Abendessen in der Polizeikantine. Übernachtet wurde in der Sporthalle.
Am nächsten Morgen wurden wir mit einer Eskorte aus dem Ort geleitet und es ging weiter zu dem gleich neben Gibraltar gelegenen Fährhafen in Algeciras. Hier sollten wir die Teams aus Spanien und Großbritannien treffen. Dies wäre beinahe schiefgegangen, denn ein Teil des britischen Kontingents hatte mit den zur Durchfuhr bestimmten Fahrzeugen Gibraltar besucht und damit die EU wieder verlassen. Mit viel Überredungskunst konnten sie wieder in die EU einreisen, um zum Treffpunkt zu gelangen. Ein Zwischenfall, der es bis in die britischen Medien schaffte.
Spät am Abend trafen wir auf die Mitstreiter von der Insel und aus Spanien. Habe ich Spanien gesagt, ich korrigiere: Katalonien. Am Fährhafen wurden Zelte aufgeschlagen, oder aber in den Fahrzeugen übernachtet.
Tags darauf, gegen 6 Uhr fuhren wir auf die Fähre nach Tangier Med / Marokko. In Marokko angekommen ging es erst überraschend schnell zum Hafenausgang. Nur hatten wir die Rechnung ohne die marokkanischen Behörden gemacht, und dies auch noch an einem Wochenende. Nach einer „Hafenrundfahrt“ fanden wir uns auf einem Parkplatz wieder. Es dauerte drei Tage und zwei Nächte (unterbrochen durch weitere Hafenirrfahrten), um letztlich herauszufinden, dass nicht alle erforderlichen Zollunterlagen vorhanden waren. Ohne den dt. Honorarkonsul von Tanger und die Dt. Botschaft in Marokko hätte es wohl noch länger gedauert, um etwas Licht ins Dunkel zu bringen. Letztlich mussten wir einige Hilfsgüter, insbesondere Führungs- und Einsatzmittel der Polizei und Feuerwehr sowie medizinisches Gerät zurücklassen, um die Fahrzeuge noch rechtzeitig nach Gambia bringen zu können. Da das Zeitfenster für die restliche Strecke immer kleiner wurde und noch drei weitere Grenzübertritte bevorstanden, kann man verstehen, dass uns vier Kollegen verlassen haben. Die „Wanderdüne“ war dadurch kurzzeitig führerlos. Hier sprangen drei britischen Kollegen ein und übernahmen das Rüstfahrzeug. Erst kurz vor Sonnenuntergang konnten wir den Fährhafen nach drei Tagen verlassen.
Nun galt es keine weitere Zeit zu verlieren. Es standen uns lange Etappen mit wenig Pausen bevor. Der Schlauchanhänger unserer „Wanderdüne“ fiel diesem Umstand irgendwo in Marokko zum Opfer. Nun war der Feuerwehrrüstwagen „konkurrenzfähig“ und plötzlich schneller als die britischen Löschfahrzeuge.
Dank guter Straßen in Nordmarokko konnten wir tags darauf etwas Boden gutmachen: Wir saßen bis kurz vor Mitternacht am Steuer. Eigentlich schade, das Atlasgebirge bei Nacht zu durchqueren. Dafür warteten nach vier Nächten im Zelt oder Fahrzeug Bungalows auf uns. Am nächsten Tag ging es in vier kleineren Konvois weiter. Die katalanische „Vorhut“ hatte uns bei Laayoun bereits überholt und lotste uns alle in der Westsahara an eine Tankstelle, die sich im Rohbau befand. Hier schlugen wir unser Nachtlager auf.
Für den Folgetag war geplant bis an die mauretanische Grenze zu fahren. Den schnellen RTWs und Pkws gelang dies sehr gut. Daran konnte auch Regen mitten in der Westsahara nichts ändern. Es wurde kurzfristig beschlossen, dass ein Teil des Konvois versucht nach Mauretanien einzureisen und der andere Teil gleich am Morgen nachfolgt. Einzig alle schweinefleischhaltige Speisen und alkoholische Getränke mussten noch vor Grenzübertritt „vernichtet“ werden. Der Alkohol natürlich durch die Beifahrer. Schließlich wollten wir keine weitere Bekanntschaft mit einem Zollparkplatz machen. Auf marokkanischer Seite mussten nach der Passkontrolle alle Fahrzeuge lediglich durch die stationäre Röntgenanlage. Ein Beamter der Grenzpolizei war auf die vielen Krankenwagen aufmerksam geworden und freute sich, dass David, der katalanische Kollege, eine Bisswunde versorgte. Der Diensthund hatte sein Schienbein mit dem Abendessen verwechselt.
Die Ausreise aus Marokko ins Niemandsland zwischen Marokko und Mauretanien gestaltete sich weitgehend problemfrei. Und auch die zwei Kilometer lange Fahrt über eine Schotterpiste meisterten alle Fahrzeuge. Minenwarnschilder und Autowracks machten jedoch deutlich, dass man hier besser nicht liegen bleibt, schon gar nicht in der Nacht. Da sich zudem die Abendsonne über die Sanddünen und jede Menge Abfall legte, hofften wir alle, dass die Einreise nach Mauretanien klappen wird. Zumal in der Ferne ein schwerbewaffneter Trupp Soldaten patrouillierte.
Die Einreiseformalitäten in Mauretanien nahmen einige Zeit in Anspruch und während wir auf die Ausstellung unserer Visa warteten, freute sich der Chef der Polizeistation, so viele Kollegen auf einmal auf seiner Wache zu haben. Er vermittelte uns auch einen Campingplatz unweit der Grenze. Da die Nacht bereits hereinbrach, waren wir froh, dass uns der Besitzer des Campingplatzes von der Grenze dorthin eskortierte, zumal er das Passieren von mehreren Check-Points wesentlich erleichterte.
Die Einfahrt war sportlich, aber so richtig sah man dies in der Nacht nicht. Strom gab es nur dank Notstromaggregat und auch Wasser kam nur mit Pumpenunterstützung aus dem Wasserhahn. Aber mitten in der Wüste überhaupt Wasser zu haben, ist bereits ein Luxus.
So richtig konnte man erst am folgenden Morgen erkennen, wie wunderschön der Campingplatz gelegen war. Einerseits mitten in Sanddünen, andererseits direkt am Atlantik. An diesem Morgen war auch die Entscheidung gefallen, dass wir nicht auf den anderen Teil des Konvois warten, sondern versuchen Mauretanien an einem Tag zu durchqueren. Durch unsere Erfahrungen konnte der andere Konvoiteil profitieren.
Weiterhin durchquerten wir wüstenähnliche Gebiete, teilweise war die Straße mit Sand bedeckt, immer wieder blickten wir auf die afrikanische Steilküste und den Atlantik. Ab und an sahen wir Kamele, Ziegen, Esel oder aber selten Kühe. Nach dem wir die Hauptstadt Nuakschott hinter uns ließen, sah man hin und wieder etwas grün zwischen dem Sand hervorblitzen. Die Wüste ging in eine Steppenlandschaft über. Aus Zelten wurden kleine Hütten. Abenteuerlich auch die Verkehrsmittel, die uns unterwegs begegneten. So manches Fahrzeug würde man hierzulande noch nicht mal auf einem Schrottplatz antreffen, Eselskarren, gut beladene Fahrräder und so manches andere Exotische.
Der Straßenzustand überraschte mich jedoch weitgehend positiv. Und so erreichten wir die mauretanisch-senegalesische Grenze in Rosso. Das mauretanische und das senegalesische Rosso wird hier lediglich durch den Senegal Fluss getrennt. Hier wollten wir über die Grenze. In Anbetracht der schieren Menge an Fahrzeugen wollten wir uns dieses Mal eines „Dienstleisters“ bedienen. Zugegeben fühlt man sich nicht wirklich wohl, wenn dann irgendjemand, den man nicht kennt mit seinem Reisepass losgeht, um die Grenzmodalitäten zu erledigen und zu organisieren. Immerhin bedeutete eine ganze Stange Geld, dass es noch an diesem Abend über die Grenze gehen soll. Zumindest schafften wir es recht schnell von einem Schlammparkplatz an den Fähranleger. Bis wir dann jedoch auf die Fähre auffahren konnten, war es bereits dunkel. Auch dies war ein Abenteuer. Es ging über eine Rampe knietief ins Wasser. Die Scheinwerfer versanken kurz im Senegal, doch alle Fahrzeuge schafften es letztlich auf die Fähre. Schon zehn Minuten später kamen wir auf der senegalesischen Seite an. Auch hier dauerte es wieder seine Zeit. Für die Visa musste man wie auch in Mauretanien seine Fingerabdrücke elektronisch hinterlassen. Und um das Gelände verlassen zu dürfen, bedurfte es wieder einmal Geld.
Als wir wieder losrollten, dachten wir, jetzt geht es weiter, doch weit gefehlt. Ein paar Meter weiter wurden wir auf einen Zollparkplatz gelotst. Leider gab es keinen Entscheidungsträger mehr, der letztlich entscheiden konnte oder wollte, dass wir weiterfahren durften. Nur im Gegensatz zum Hafengelände in Tanger Med war dieser Parkplatz nur schwer zu verdauen. Man sank teils knöcheltief im Schlamm ein und Fäkalgeruch lag über dem Platz. Auf Grund der Flussnähe schwirrten auch unzählige Moskitos um uns herum. Nur einer von uns stellte ein Zelt auf. Wir verkrochen uns in oder auf die Fahrzeuge. Einzig die Toilette war ein kleiner Lichtblick. Zwar afrikanischer Standard, aber im Vergleich zur restlichen Umgebung vergleichsweise sauber. Zu all diesem Glück gab es mitten in der Nacht auch noch ein Gewitter mit heftigem Wind und Regen. Dieses Gewitter trieb die letzten Kollegen in die Autos.
Am nächsten Morgen mussten wir wieder auf einen Verantwortlichen warten, der nicht vor 10 Uhr zu sprechen war. Vier weitere Stunden später konnten wir endlich wieder weiterfahren. Spätestens jetzt war klar, dass wir es an diesem Tag nicht mehr nach Gambia schaffen werden. Deshalb legten wir in Kaolak einen weiteren Stopp ein. Wir schafften es, kurz vor der Dämmerung dort einzutreffen. Unser zweiter Konvoiteil traf gegen Mitternacht dort ein. Wenigstens konnten wir dafür sorgen, dass unsere Mitstreiter nicht annähernd so lange auf dem „leckeren“ Parkplatz verbringen mussten wie wir.
Nach dem Frühstück machten wir uns gemeinsam auf, um zur gambischen Grenze zu fahren. Die Ausreise aus dem Senegal war eine Formsache und auf der gambischen Seite wurden wir von Kollegen und Kolleginnen der Stadtpolizei Kanifing und einem heftigen Regenguss freudig empfangen. Wir wurden erst zur Fähre nach Barra und dann von Banjul nach Kanifing eskortiert. Auf dem Weg zum Hotel wurden wir leider nochmals kurz ausgebremst. Wie konnte es anders sein, wieder der Zoll. Vor lauter Ankunftsfreude waren nicht alle Zollangelegenheiten erledigt worden, aber diese halbe Stunde mehr, machte bei 14 Tagen Fahrt nicht wirklich den Unterschied. Nachdem wir uns im Hotel in Bakau noch etwas erholen und vor allem richtig duschen konnten, freuten wir uns, 17 der 18 Fahrzeuge ihrer neuen Bestimmung übergeben zu können (ein britischer Pkw schaffte es leider nur bis Marokko). Die britischen Kollegen übernahmen zudem die Einweisung in die „neuen“ Feuerwehrfahrzeuge, darunter auch unsere „Wanderdüne“, ein zuverlässiger Magirus Deutz.
Verschiedene, nicht in Marokko verbliebene Spenden wurden in den Tagen nach der Ankunft verschiedenen Organisationen übergeben. So ging ein Großteil unserer Campingausstattung an die gambischen Pfadfinder. Werkzeug und grüne Einsatzhosen wurden den Pionieren der gambischen Polizei übergeben, die sich darüber ebenfalls gefreut haben.
Wir konnten überall die große Freude über Fahrzeuge oder andere Spenden und damit die Sinnhaftigkeit der Aktion hautnah spüren. Auch wenn wir auf der Fahrt nach Gambia nicht viel mehr als die Landschaften rechts und links des Weges erleben konnte, haben wir eine tolle Zeit erlebt.
Dies wäre ohne Unterstützung verschiedenster Stellen nicht möglich gewesen. Neben den Hauptorganisatoren in Großbritannien ist dies die IPA Deutschland mit den Landesgruppen und Verbindungsstellen. Ein Dank auch an die ENP, die Feuerwehr Barcelona, die Polizei in Murcia und viele hier nicht genannte Personen und Organisationen. Ein Dank auch an die verschiedenen Stellen des Auswärtigen Amtes, die hoffen lassen, dass die in Marokko zurückgelassenen Einsatzmittel ihren Weg in einem Container nach Gambia finden werden.
LESEN SIE HIER EINEN ARTIKEL DER OPERATION ZEPHYR AUF DER SEITE DES ENP DACHVERBANDS
Text: Heike Kottmann
Fotos: Heike Kottmann